Rhein-Sieg-Kreis – Diese und viele andere Fragen sind in der Umweltausschuss-Sitzung (UmwA-Sitzung) im Kreishaus in Siegburg am 22.03.2022, 16.00 Uhr, von der Wildbiologin, Christine Thiel-Bender, und im weiteren Sitzungsverlauf durch den Wolfsberater des Rhein-Sieg-Kreises beantwortet worden.
Inzwischen wurde der Rhein-Sieg-Kreis offiziell zum „Wolfsgebiet–Oberberg“ erklärt. Dazu gehören alle rechtsrheinischen Kommunen: Lediglich Sankt Augustin, Königswinter, Bad Honnef, Niederkassel und Troisdorf sind zur Pufferzone bestimmt worden. Der linksrheinische Teil des Rhein-Sieg-Kreises hingegen besitzt keinen eigenen Wolfsstatus.
Der Wolf kommt zurück – und jetzt?
Fast zwei Jahrhunderte lang waren Wölfe im Rheinland ausgerottet – jetzt streifen wieder Einzeltiere und Rudel durch die Wälder. Sie meiden in der Regel die Nähe des Menschen, sind scheu, und so ändert sich für die Waldbesucher kaum etwas. Dennoch sollte man niemals versuchen, sich einem Wolf zu nähern oder ihn gar anzufassen.
Die Position der Naturschützer ist klar: Es muss darum gehen, das Miteinander von Menschen und Wolf bzw. von Wolf, Wild- und Nutztieren sicherzustellen. Dieses starke Engagement erzeugt Gegenwind. Große Teile der Jagd- und Bauernlobby werfen den Naturschützern vor, mit dem Wolf reines Marketing zu betreiben.
Gefährlicher Dornröschenschlaf
So entwickelt sich für die Landwirte die Ausbreitung des Wolfes immer mehr zum Horrorszenario. Vor allem im Norden und Osten Deutschlands verbreiten Wölfe angesichts stark zunehmender Rinder-, Dam-, Pferde- und Schafsrisse Angst und Schrecken unter den Weidetierhaltern. Vor allem in Niedersachsen sowie im Alpenraum in Bayern und Österreich steigt die Zahl der Wolfsrisse. Im Jahr 2020 sind in Deutschland fast 4000 Nutztiere von Wölfen gerissen worden. Da auch die Wolfspopulation im Rhein-Sieg-Kreis erschreckend zunimmt, steigt die Anzahl der Risse kontinuierlich.
Die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (NRW) bietet Beratung zu den möglichen Herdenschutzmaßnahmen für alle Weidetierhalter:innen an. Tierhalter von Schafen und Ziegen sowie Gehegewild, deren Weideflächen in ausgewiesenen Wolfsgebieten und den angrenzenden Pufferzonen liegen, können einen Antrag auf Förderung von Zäunen und Weidezaungeräten stellen. Die Arbeit für den Aufbau und die Unterhaltung der Zäune wird nicht gefördert; diese Kosten trägt in NRW allein der Tierhalter. Ausgenommen von allen Förderungen sind in NRW Rinder und Pferde – anders in Rheinland-Pfalz (RLP); dort werden auch Maßnahmen für Rinder gefördert.
Den Antragsteller: innen wird empfohlen, bereits im Vorfeld eines Förderantrags das kostenlose Beratungsangebot der Herdenschutzberatung der Landwirtschaftskammer zu nutzen. Mit dieser frühzeitigen Beratung lässt sich die Antragstellung und -prüfung erleichtern und somit das Bewilligungsverfahren insgesamt beschleunigen. Dies dürfte im Interesse der antragstellenden Weidetierhaltung liegen.
Herdenschutzsets
Sets zum Schutz vor Wolfsangriffen auf Schafe und anderen Nutztieren können bei Bedarf vom Land Nordrhein-Westfalen (NRW) oder vom NABU Landesverband NRW oder vom Rhein-Sieg-Kreis kurzfristig und schnell ausgeliehen werden.
Die Herdenschutzsets mit Elektrozaun, Weidezaungerät und Fotofalle werden bei begründeten Verdachtsfällen unentgeltlich vergeben. Sie stehen allen Nutztierhaltern (auch Hobbylandwirten) zur Verfügung. Der Rhein-Sieg-Kreis vergibt das Notfall-Set in zwei Ausführungen: Ein 400 Meter langes und 90 Zentimeter hohes Elektronetz an sowie ein Aufrüstset mit 120 cm langen Pfählen und bis zu 600 Meter Breitbandlitze. Die Leihfrist beträgt vier Wochen.
Hürden für die Entnahme eines Wolfes
Die Hürden für die Entnahme eines Wolfes aus der freien Natur – so nennt sich der Abschuss auf Amtsdeutsch – sind hoch. Der Wolf ist streng geschützt. Die Tiere dürfen nur geschossen bzw. entnommen werden, wenn sie eine Gefahr für Menschen darstellen, hohe Schäden an Nutztieren anrichten oder sich über Nutztiere hermachen, die nicht geschützt werden können, etwa auf steilen Almweiden. So schreibt es das deutsche Naturschutzrecht vor.
Wie gefährlich ist der Wolf für den Menschen?
Dass eitel Frieden herrschen wird zwischen Natur- und Landwirtschaftsverbänden, wenn man sich erst auf einen Praxisleitfaden geeinigt hat, ist ausgeschlossen. Zu stark rückt die Wolfspopulation in immer mehr Regionen Deutschlands vor. Auch die Vertreter der Jagd und Politik wollen mitreden. Letztere auch deswegen, weil Angriffe auf Menschen nur „so gut wie ausgeschlossen“ sind, man sie aber definitiv nicht ausschließen kann. Hier kommt uns die Statistik zu Hilfe. In der EU sind in 18 Jahren sechs Angriffe der Wölfe auf Menschen dokumentiert.
Keine Frage also: Wir sehen, so streng er auch geschützt sein mag, der Wolf hat nicht nur Freunde! Der Streit um die Ausbreitung des Wolfs ist moralisches und politisches Grenzgebiet. „Als Politik müssen wir uns schlau machen, alle Informationen sammeln und für die Menschen unserer Region Handlungen loszutreten, die das Leben hier weiter möglich machen“, so Lisa Anschütz, Umweltpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion Rhein-Sieg.
Christine Thiel-Bender, Jahrgang 1978, ist promovierte Wildbiologin mit den Schwerpunkten Zoologie und Genetik sowie Geografie. Sie hat an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn studiert.
(Text: Die GRÜNEN Rhein-Sieg)